Holokratie ist ein Organisationskonzept, das Führung ohne traditionelle Hierarchien erreichen will. Das bedeutet Verzicht auf klassische Strukturen. Die Unternehmen setzen stattdessen auf eine transparente und partizipative Mitarbeiterbeteiligung. Klingt chaotisch? Ein klares Regelwerk, die Holokratieverfassung (Holacracy Constitution), schafft Ordnung.
Dennoch ist nicht absehbar, dass sich die Holokratie großflächig gegen die klassische Unternehmensorganisation durchsetzt und die Executive Search überflüssig macht – vielmehr sollten Chefs und Vorgesetzte überlegen, welche Ansätze der Holokratie sie in ihrem Betrieb umsetzen könnten, um von den Vorteilen zu profitieren.
So funktioniert Holokratie
In einem holokratischen Unternehmensmodell sind Entscheidungsbefugnisse auf sogenannte Kreise verteilt. Das sind selbstorganisierende Einheiten, die unterschiedliche Rollen innerhalb der Organisation einnehmen. „Double-linking“ sorgt dafür, dass jeder Kreis eine Verbindung zum nächsthöheren, aber auch zum nächstniedrigeren Kreis unterhält. In vielen Fällen sind Verbindungen in Nachbarkreise sinnvoll. Wenn hier die Rede von über- und untergeordneten Kreisen die Rede ist, wird deutlich, dass gewisse Hierarchien auch in einer holokratischen Organisation erforderlich sind. Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse liegen aber nicht bei einzelnen Mitarbeitenden – den Führungskräften – sondern bei den selbstorganisierten Teams.
Holokratische Organisationen sind anpassungsfähiger
Holokratie hat Vorteile vor allem hinsichtlich Dynamik und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen. Sind Rollen und Verantwortlichkeiten klar definiert, bedeutet das bessere Orientierung und Zusammenarbeit. Idealerweise führen Autonomie und selbstgesteuerte Entscheidungsfindung zu einem Motivationsschub. Mitarbeitende beteiligen sich dadurch viel aktiver an der Ausgestaltung ihrer Arbeit.
Richtig gelebte Holokratie führt zum Abbau von Bürokratie. Entscheidungsprozesse sind nicht mehr über viele Ebenen verteilt. Innovationen können somit schneller umgesetzt werden. Eine Entbürokratisierung findet auch hinsichtlich der Stellenbeschreibungen statt. In einer holokratischen Organisation entscheiden die Mitarbeitenden, welche Rollen und Aufgaben sie übernehmen, ohne auf vordefinierte Stellenbeschreibungen zurückzugreifen. Das Ergebnis ist idealerweise eine maßgeschneiderte Zusammenarbeit. Mitarbeitende haben ein Mitspracherecht bei deren Gestaltung und erleben so das Gefühl der Eigenverantwortung.
Kultureller Wandel muss gelebt werden
Den klaren Vorteilen der Holokratie stehen Nachteile gegenüber, die sich einerseits aus dem komplexen Regelwerk ergeben, andererseits immer dann entstehen, wenn Mitarbeitende nicht mitziehen in der neuen holokratischen Welt.
Das Praktizieren von Holokratie erfordert das Verständnis ihrer komplizierten Regeln, um Spannungen effektiv entgegenzuwirken. Während der Besprechungen in den Kreisen müssen Checklisten und Regeln, die in der Holacracy Constitution festgelegt sind, eingehalten werden. Das kann ermüdend sein. Die gute Nachricht: Regeln werden nach kurzer Zeit zur Selbstverständlichkeit, sodass man gar nicht mehr darüber nachdenken muss.
Nicht jeder kommt klar mit einem hohen Grad an Autonomie. Es gibt einen nicht unerheblichen Teil der Belegschaft, der lieber weisungsgebunden arbeitet und traditionelle hierarchische Strukturen bevorzugt. Wenn individuelle Persönlichkeiten Teil des Prozesses werden, verändert sich die Unternehmenskultur. Diese Verschiebung kann sowohl für das Unternehmen als auch für seine Mitarbeitenden eine Herausforderung darstellen. Eine wichtige Aufgabe ist, die Menschen auf dem Weg in die Holokratie mitzunehmen. Das ist umso schwieriger, weil es keine Führungskraft im klassischen Sinn mehr gibt und die Begleitung des kulturellen Wandels deshalb keine Führungsaufgabe sein kann.
Ein Weg, der sich lohnen kann
Wie sind Holokratie und ihre Vor- und Nachteile zusammenfassend zu bewerten? Holokratie bietet Vorteile wie erhöhte Agilität und Motivation, erfordert aber die Anpassung an neue Arbeitsweisen und Entscheidungsprozesse. Wird die neue Welt mit Bedacht und regelmäßigen Schulungen umgesetzt, kann Holokratie zu positiven Veränderungen führen. Es ist wichtig, individuelle Präferenzen zu berücksichtigen und die organisatorische Bereitschaft des Unternehmens herzustellen, bevor es sich für dieses Modell entscheidet. Es gibt jedoch auch Unternehmen, für die Holokratie ungeeignet ist, beispielsweise große Organisationen mit sehr vielen Mitarbeitern. Sie passt besser zu Start Ups oder kleinen Unternehmen.
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